Fastenbotschaft 2022

Mit der Barmherzigkeit Gottes

JOHANNES X. – Griechisch-orthodoxer Patriarch von Antiochien und dem ganzen Osten

An all unsere Lieben im Herrn,

die Kinder des Heiligen Antiochenischen Stuhls

Meine Lieben,
zu Beginn dieser Heiligen und Großen Fastenzeit betet die Kirche einstimmig und ruft aus der Tiefe: “Brüder, lasst uns nicht beten wie Pharisäer”. Mit diesen Worten beginnt die Kirche ihre liturgischen Hymnen zur Großen Fastenzeit und fleht zum Herrn der Auferstehung.

In dieser gesegneten Zeit ist die Demut das Gewand der Seele. Ein demütiges Gebet dringt in das Herz Gottes ein. Dies verkündet die Kirche zu Beginn ihrer Lobpreisungen für diese Zeit, um uns zu zeigen, dass Christus, der Bräutigam unserer Seelen, möchte, dass die Seele mit dem Juwel der Demut geschmückt und mit dem Gewand der Selbstlosigkeit bekleidet wird.

Er wünscht sich, dass die Seele beständig in Demut und Bescheidenheit betet, weit entfernt von Hochmut, das eine falsche, populäre Spiritualität ist.

Was das Herz des Herrn erweicht, ist vielmehr eine demütige Haltung, die im Schrei der Seele zum Ausdruck kommt: “Erbarme dich meiner.”

Christus wünscht, dass unsere Seelen sich in die Gruppe der klugen Jungfrauen einreihen, die für Ihn ihre Lampe der Barmherzigkeit, der Demut und der Hingabe entzündeten und sich so auf Seine Einnistung durch den Heiligen Geist vorbereiteten.

Die Große Fastenzeit ist der Frühling der Seelen, die sich nach der Ausstrahlung Christi sehnen. Sie ist ein Frühling, in dem jede Seele aufblüht wie die Blumen draußen in der Natur. Es ist die Zeit, in der die bittere Kälte der Sünde von der warmen Schönheit der Auferstehung abgelöst wird. Die Große Fastenzeit ist der Frühling der Seelen, das dem pharisäischen Stolz entsagt und die österliche Demut anzieht.

Wir treten in diese Fastenzeit ein, und die Wunde des östlichen Christentums ist noch offen und blutet. Diese Wunde fasst alle Leiden der Menschen im Osten zusammen, die verschiedenen Konfessionen angehören.

Es umfasst die Entführung der Erzbischöfe von Aleppo, Youhanna Ibrahim und Paul Yazigi, seit April 2013, während diese Angelegenheit im Dunklen gelassen und das internationale Schweigen angeprangert wird. Wir beten für sie wie auch für alle Entführten.

In dieser kritischen Phase der Geschichte unserer Existenz als Christen im Osten begeben wir uns in die Zeit des Fastens. Wenn wir die Historie der Kirche von Antiochien betrachten, so hat die Kirche im Laufe ihrer Geschichte nie einen anderen Schutz gesucht als den des Kreuzes Christi und wurde nie anders genährt als durch die Hoffnung Christi. Ein Jahrhundert nach dem anderen ist sie Ihm treu geblieben und hat ihren Glauben bewahrt. Sie hat die Welt in Seinem Namen getauft und in Seinem heiligen Namen seine Apostel geprägt.

Wir sagen all dies, um zu bekräftigen, dass wir in unserem Land bleiben, dem Land, aus dem wir unsere Identität und unser Wesen ableiten.

Wir wünschen, dass diese gesegneten Tage noch viele Male wiederkehren. Mögen wir alle unter dem Schutz der Barmherzigkeit Gottes die heilige Auferstehung Christi erlangen, dem die Ehre für immer und ewig gebührt, Amen.

Herausgegeben von unserem patriarchalischen Sitz in Damaskus,

Am 27. Februar 2022.